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Nachmittags bei „Weigangs“

Allgegenwärtig und beeindruckend, was uns da die einstige Bautzener Unternehmerfamilie in der Spreestadt und nicht nur dort hinterlassen hat.

Die Mitglieder und Gäste der Senioren Union Bautzen vermuteten es zwar, doch sicher wussten sie es nicht bis Immobilienmakler und Mitbesitzer der geheimnisumwitterten Millionen-Villa „Weigang“ Frank Reppe während der Februar-Zusammenkunft das Geheimnis, welches keines ist, lüftete.

Doch Achtung, wer jetzt einen exakten Exkurs erwartet muss enttäuscht werden. Die „Familien-Saga“ der Weigangs ist so vielfältig verzweigt und spannend, dass sie Stoff für einen TV-Mehrteiler bieten würde, wofür hier nicht der Raum ist.

Doch der Reihe nach.

1859 hatte Otto Weigang die elterliche Steindruckerei auf der Wendischen Straße in Bautzen übernommen. Bereits nach fünf Jahren rastlosen Arbeitens erweiterte er sein Unternehmen ein erstes Mal, 1870 ein weiteres und 1883 ein drittes Mal. 1869 war Ottos jüngerer Bruder Eduard gleichfalls in die Firma eingetreten. Diese hatte sich mittlerweile auf die Herstellung von Zigarrenbinden und das Bedrucken von Zigarrenkisten und allem, was damit zusammenhing, spezialisiert. Damit wurden sie auf diesem Gebiet zum Weltmarktführer und firmierten unter dem Namen „Lithographische Kunstdruckanstalt Gebrüder Weigang“. In Bautzen gehörten die Gebrüder Weigang zu den Honorationen der Stadt und des sächsischen Vaterlandes. Zeitweilig arbeiteten im Unternehmen bis zu 1.000 Beschäftigte. Mit der dritten Firmenerweiterung bezogen die „Weigangs“ ihr neues Wohnhaus Wallstraße 3, vielen von uns wohl eher als „Pionierhaus“ bekannt.

Die heute als Villa Weigang bezeichnete Jugendstil-Villa, wurde als „Einfamilienhaus“ in 18 monatiger Bauzeit für Eduards Sohn Rudolf errichtet, der sie nach seiner Vermählung am 5. September 1903 bezog.

Mit dem Entwurf hatte Rudolf den Dresdener Architekten Prof. Alvin Anger beauftragt. Dieser nahm Anleihen an 18 verschiedenen Baustilen. Während die Fassaden bereits die aktuelle Architekturmode widerspiegelt, kehrte Angerer im Inneren zu historischen Formen zurück. Er gab dem Haus bewusst kein einheitlichen Stilgepräge. Die Fassaden wirken mit ihren Balkone, Terrassen und Erkern lebendig und durch die Ornamente herrschaftlich. Dieser Eindruck wird durch die mächtige Kuppel und ihrer geschweiften zinkgedeckten Haube noch verstärkt.

Über eine zweiarmige Treppe gelangt man in die bis unter das Dach reichende Haushalle. Der achteckige Grundriss mit dem kunstvollen Marmormosaiken belegt und dem Bildnis des Kaisers Karl der Große, dem „Vater Europas“ über der Tür zum Gartensalon, erinnert an den Aachener Dom. Darüberhinaus besteht das Erdgeschoss aus dem Herren-, Empfangs-, Mozart-, Rokkoko- und Speisesalon sowie einer kleinen Küche. Eine herrschaftliche Küche gibt es im Keller, diese wurde auch restauriert.

Über eine breite aus weißen Marmor bestehende Treppe gelangt man in das Obergeschoss mit den ebenfalls aufwändig gestalteten Privatgemächern der Familie mit Schlaf- und Kinderzimmern, Ankleiden und Bädern. Einschließlich der Wirtschaftsräume und Wohnräume der Angestellten im Souterrain sowie im Dachgeschoss besteht das „Einfamilienhaus“ von Rudolf Weigang aus 16 repräsentativen Wohnräumen und Salons mit mehr als 600 Quadratmetern.

Der Bau der Villa Weigang, damals Wallstraße 4, soll die selbst für damalige Verhältnisse sagenhafte Summe von einer Million Goldmark verschlungen haben, weshalb das Haus im Volksmund „Millionen-Villa“ hieß. Für den Immobilien-Fachmannes Reppe, ein unglaublicher Preis im Vergleich zu „normalen“ Villen, für die wahrscheinlich schönste Villa im Freistaat.

Für 20 Jahre wurde das Haus nun zum Lebensmittelpunkt der Familie von Rudolf Weigang. Hier wuchsen die Kinder Heinz und Helga auf. Im Laufe der Jahre verlagerte Rudolf seine Aktivitäten mehr und mehr nach Dresden, bis er schließlich Ende der 1920er-Jahre auf den Weißen Hirsch in der Bautzener Landstraße 44 zog und dabei große Teile des Bautzener Mobiliars und wertvolle Kunstgegenstände mitnahm. Neben dieser Adresse ist die, des Städtischen Standesamtes in Dresden auf der Goetheallee 55 eng mit dem Namen Weigang verbunden.

Weitere Verbindungen reichen nach Ebern bei Bamberg zur noch heute existierenden Weigang AG und nach Namibia, wohin es mit Ottfried Weigang, ein Mitglied der Familie Weigang verschlagen hat. Nicht zu vergessen, die Spuren, die Adam Weigang im 17. Jahrhundert während seiner Wanderjahre in Schweden hinterließ.

Das Bautzener Anwesen musste 1939 zur Tilgung von Steuerforderungen für 153.000 Reichsmark an die Stadt Bautzen verkauft werden. Diese vermietete die Gebäude an Personen und Vereine. Unter anderem zog Christine Ulbrich mit einem Privatkindergarten und Hort ein, die NSDAP nutzte zum Beispiel die Wallstraße 3. In den letzten Kriegsjahren wurde die Villa Weigang eine Lazarett-Außenstelle. Des Bautzner Krankenhauses. Dann die Nutzung als „Haus der Internationalen Solidarität“ für Flüchtlinge aus den Westzonen in die sowjetische Besatzungszone, bzw. DDR. 1964 wurde die staatliche Villa Weigang dann zum DDR-Kreiskulturhaus.

Bestrebungen das Haus zu restaurieren, bzw. zu sanieren begannen bereits vor der politischen Wende im Jahr 1987. Versuche, das Haus nach der friedlichen Revolution in ein kulturelles Zentrum und später in eine Gaststätte zu verwandeln scheiterten. So entschloss sich die Stadtverwaltung 1998 das Haus zu verkaufen. Einer der vier Interessenten waren die Familien Reppe und Diegelmann. Für 270.000 D-Mark konnten sie die Villa erwerben. Unmittelbar nach dem Erwerb begannen die Eigentümer mit der denkmalgerechten Restaurierung. Eigens dazu wurde ein 12-köpfiger „Bauhof“ eingerichtet. Fachkräfte sanierten in den folgenden vier Jahren das Haus grundhaft. 2002, anlässlich des Festempfanges zur zweiten Jahrtausendfeier der Stadt Bautzen, präsentierte sich die Villa Weigang mit ersten sichtbaren Ergebnissen den Gästen.

Heute, reichlich 20 Jahre später, sind 60 bis 70 Prozent der Wand – und Deckemalereien wieder hergestellt und die Restauration wurde abgeschlossen. Familie Diegelmann hat vor vielen Jahren Deutschland verlassen. Damit wurden Marlen und Frank Reppe alleinige Eigentümer. Heute finden Trauungen statt und es können Hochzeitsmoden gekauft werden. Das Obergeschoss dient als Büro für die Reppe Immobilie GmbH.)

Soweit in aller Kürze einige Einblicke hinter die Mauern der Villa Weigang und deren Bewohner in mehr als einem Jahrhundert. Mein Dank gilt Frank Reppe für seine detaillierten Informationen und dem Autor des Heftchens „Miniaturen am Wegesrand - Villa Weigang Bautzen“ Dr. Lars-Arne Dannenberg.

Bleibt nur noch der Blick auf unser März-Veranstaltung. Dann nämlich heißt es, die Wanderschuhe zu schnüren, wenn wir uns am 12. März mit Vinzenz Baberschke, langjähriger Bürgermeister a. D. von Radibor, auf den Jacobsweg nach Santiago de Compostela machen.